Erfahrungen

Eine Begegnung mit mir Selbst

Als ich das erste Mal bei der Theatertherapie war, war ich überrascht über die starken Emotionen, die eine auf dem ersten Blick so einfach erscheinende Übung in mir auslösen sollte. Eine tiefe Erfahrung, die ich so aus Gesprächen nicht kannte. Noch Jahre später erinnere ich mich an sie. Die erste Zeit war, als würde mir jemand einen Spiegel mit meinem wahren Ich vor’s Gesicht halten, dessen Spiegelbild ich selbst noch nicht begriffen hatte. Ich lernte mich neu kennen, lernte mich selbst zu lesen; weil ich verlernt hatte mich zu sehen, ohne es zuvor überhaupt bemerkt zu haben. Am Anfang kam es mir vor, Herr Heuer wüsste besser was in mir vorging, als ich selbst.

Für mich ist Theatertherapie Spaß, Zusammenhalt, mit anderen in Kontakt gehen und mit sich selbst in Kontakt sein, lernen, entdecken, herantasten, Intimes erleben und (mit-)teilen, Schmerz fühlen und aushalten, mutig sein, verborgene Gefühle erkennen, ihnen Raum geben, und heilen. Man lernt viel über sich selbst, als auch zwischenmenschlich. Vor allem lernt man, sich zu trauen. Es ist (meiner Meinung nach) nur etwas für Leute, die bereit sind sich mit ihren Ängsten und dunklen Gedanken zu konfrontieren. Die Therapie zwingt einen den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und stellt zugleich Hilfsmittel bereit, um sich bei dem Versuch sicher genug zu fühlen, sich zu trauen und zu überwinden. Ich liebe das Konzept der Theatertherapie. Ein bisschen habe ich Angst davor, mal in einer anderen Stadt auf Hilfe angewiesen zu sein und die Therapieform, die mir am Besten geholfen hat, dort nicht mehr zu finden. Ein Teil von mir hat sich sogar vorgestellt, wie es wäre selber irgendwann mal als Theatertherapeutin zu arbeiten.

Theatertherapie ermöglicht eine Brücke, mit Emotionen zu arbeiten, wenn es mit Worten (noch) nicht geht. Es ist eine besondere Kunst, sich derart feinfühlig an etwas Verletzliches herantasten zu können.

In der Klinik hat mir ein Pfleger mal gesagt, die Theatertherapie sei wie ein Wurmloch. Die gleichen Fortschritte, die Patient*innen in Gesprächstherapien über viele Wochen machten, machten sie in der Theatertherapie manchmal in nur 1-2 Sitzungen. Er meinte zu mir sowohl skeptisch, als auch beeindruckt, er wüsste nicht was Herr Heuer genau tun würde, aber er sähe die Ergebnisse und hörte was die Menschen darüber berichteten.

Alles in allem kann ich sagen, dass mich Theatertherapie überzeugt und mehr Selbstvertrauen gelehrt hat. Sie ist sehr komplex zu erklären, nicht weil sie schwer zu verstehen ist, sondern weil sie unglaublich vielschichtig sein kann. Ich würde es jede*m empfehlen sie einmal auszuprobieren und sich darauf einzulassen. Insbesondere, wenn man das Gefühl hat, durch Reden irgendwann nicht mehr weiter zu kommen; wenn man mit Gesprächstherapien insgesamt wenig anfangen kann oder noch mehr Handlungsimpulse als z.B. in der Verhaltenstherapie braucht/möchte.

„Ich erlebe die Theatertherapie als eine geniale Möglichkeit mich selbst kennen zu lernen. Durch die Konstruktion der Szenen gelingt es immer wieder die rein rationale Betrachtung zu verlassen und in einer tieferen, mir bisher unbekannten emotionalen Bereich zu gelangen. Das bedeutet mir enorm viel, denn nur ein Leben mit Emotionen ist für mich lebenswert.

Ich erinnere mich besonders an eine Szene, in der meine Angst vor „sterbenden“ Gefühlen dargestellt wurde. Das hat mich heftig bewegt, weil die Situation plötzlich mit einer starken Emotion belegt war. Nach solchen Erlebnissen geht es mir meistens besser, weil es nicht mehr völlig aussichtslos erscheint eine Veränderung zu erleben.

Durch die Theatertherapie erlangen viele Menschen neuen Lebensmut und Lebensglück.

In der Gruppe zu sein ist sehr wohltuend für mich, weil das Zusammensein von tiefem Vertrauen und Verständnis geprägt ist. Nur selten gab es Situationen, in denen ich Hemmungen hatte mich zu beteiligen. Ich denke, ich hatte Angst etwas zu sagen, was die anderen Teilnehmer verletzen könnte.“

„Theatertherapie heißt für mich: Spielerisches Einspüren in verschieden Gefühlsebenen, eine spontanes Handeln vom tiefsten Inneren erfahren, das Ablegen von konditioniertem Handeln auf bestimmte Reaktionen. In der Theatertherapie kann ich mal ganz anders sein und neue Gefühle spüren, ich kann Nähe erfahren und zulassen. Außerdem lerne ich Grenzen zu setzen und lerne meine Körper wahr zu nehmen.

Ich bin ein Mensch, welcher in oft diplomatischer ruhiger Weise auf seine Gefühle und Bedürfnisse hinweist. In der Theatertherapie habe ich gelernt, meine Wünsche oder Grenzen zum Ausdruck zu bringen. Ich kann jetzt schon mal meinen Mund aufmachen und mich für mich selber einsetzen.

Mein verloren gegangenes Bauchgefühl ist wieder da.“

„In meiner Welt ist es so.

In meiner Welt wird Fortschritt zu Rückschritt und Rückschritt zu Fortschritt.

In meiner Welt ist das so, dass ich nicht weiß, wie zu vertrauen ist. Welcher Situation zu vertrauen ist, auch welchem Gefühl.

In meiner Welt möchte ich alles von allen Seiten betrachten und mich nicht mit der Situation sicher fühlen, dass etwas gut ist, weil ich nicht weiß, ob das stimmt.

In meiner Welt ist Nähe zu nah und Distanz zu weit weg und während all dem, weiß ich nicht, ob das überhaupt richtig ist, was ich fühle. Ob es stimmig ist. Und ich weiß nicht nicht mal, wer das sein soll, für den das stimmig ist.

Und in meiner Welt, in der ganz realen Welt, besuchte ich diese Theatertherapie. Wir betrachteten mein Thema „Bindung“, vielleicht, im weitesten Sinne, ich weiß es auch nicht mehr, so wie ich oft die Dinge vergesse, wenn es emotional wird.

In der Übung jedenfalls, die ich vollführte, sollte mich jemand ablehnen, abwerten. Diese Person möchte dass nicht, schafft das nicht, flieht mit Tränen von der Bühne. Und dann stehe ich plötzlich alleine auf der weiten Bühne und auch das erzielt seine Wirkung. Tränen und Herr Heuer kommt zu mir, wir drehen uns gemeinsam um. Ich habe die Augen geschlossen, ich schaffe es nicht, sie zu öffnen. Es ist ein Gefühl größtmöglicher Verlorenheit, existentieller Angst. Zerstörung. Und Scham. Ich spüre ihn neben mir stehen. Er schafft es, mich in der realen Welt zu halten. So dass ich atmen kann, so dass ich weiterhin agieren kann. Einen zuminstest minimalen Zustand von Kontrolle beibehalten kann und nicht vollends weggleite, hinab gleite. Es ist ein Balanceakt. Es ist etwas, das Kraft kostet. Vielleicht uns beiden Kraft kostet. Es ist ein Zustand größter Konzentration. Ein Zustand größter Präsenz. In dem jede minimale Bewegung im Fühlen, im Denken, in der Präsenz und in der Konzentration eine Gegen-Bewegung zur Folge haben kann. Ins Abrutschen, in den Verlust. Aber auch in das innere Verlassen der Situation. Mein inneres Seil, von dem man jederzeit herunter fallen kann, ist gespannt. Doch auch das Seil zwischen ihm und mir ist gespannt. Es trägt. Und doch ist es ein Kampf. Ein Ringen. Ein Schwimmen zwischen zwei Zuständen. Zwischen äußerer, realer Welt, in der alles ok ist und meiner inneren Welt, in der das Gefühlserleben die Alarmglocken sehr laut schrillen lässt. Herr Heuer fordert mich auf, diesem inneren Erleben etwas entgegen zu setzen und ich sage unter größter Anspannung: „Es ist okay, hier zu stehen.“ Es ist okay, hier zu stehen, mit geschlossenen Augen, mit einer Hand auf der Brust und mit zwei Fingern der anderen Hand sachte auf der linken Schläfe, die meinen sehr schnellen und regelmäßigen Puls spüren. Das Herz schlägt. Immer weiter. Es trägt. Ich sage, dass es okay sein, dort zu stehen und ich fühle es, mit geschlossenen Augen und mit dem Handkontakt zu mir, erst mit dem Rücken zur Gruppe, dann nach vorne umgedreht und es fühlt sich aufwühlend an und gut. Ich fühle mich zart, sehr zart und für mich und in mir.

Die befürchtete Ablehnung und Abwertung der Anderen wie Pfeilspitzen. Bei denen mir auffällt, das sie aus mir heraus stammen, zur Gruppe gehen und dann zurück zu mir kommen. Es ist ein intensiver Moment, ein wichtiger Moment, ein wahrhaftiger Moment.

Beim Gang in den abschließenden Stuhlkreis überfällt mich für einen kurzen Moment wieder der Fluchtimpuls, der „Ich möchte ihnen nicht in die Augen schauen.“. Impuls, die Scham. Doch direkt daran anschließend gesellt sich ein anderes Gefühl dazu, ein ganz warmes, wohliges Gefühl. Zufriedenheit und Offenheit und Dankbarkeit dafür, in der Gruppe getragen zu werden. Herr Heuer sagt, durch die Realisierung der Pfeilspitzen, die wohl bekannt und ein alter Hut sind, durch die Selbstannahme, die Zartheit und okay-sein damit, wie ich bin und wie ich hier stehe, kann etwas Neues entstehen. Kann ein neues Gefühl Platz finden.

Es ist okay, hier zu stehen.

Es ist okay, wie ich bin.