Was ist Theatertherapie?

In einem künstlerischen Prozess gehen wir meistens einen Weg ins Unbekannte. Vielleicht haben wir eine Vision oder eine Inspiration. Aber wir wissen oft nichts über den genauen Weg. Künstlerisch tätig sein heißt, etwas erahnen zu können, eine Fährte zu wittern. Und dabei ganz wach zu sein, was bei den gemachten Erfahrungen passiert. Langsam schält sich eine Klarheit heraus. Konturen werden sichtbar, bis vielleicht irgendwann ein Werk entsteht.

So ungefähr funktioniert Theatertherapie.

Es ist ein suchender, tastender Prozess. Es ist ein Weg des Nicht-Wissens. Es ist ein offener Spielraum. Es ist eine Berührung.

Erklärungen zur Theatertherapie hören sich häufig erst mal schwammig und unkonkret an.

In der Praxis passiert genau das Gegenteil. Der Mensch in Not erlebt dort meist ziemlich schnell eine besondere Form der Selbst-Begegnung. Das methodisch vielfältige Geschehen auf der therapeutischen Bühne eröffnet tiefe innere Räume.

Dämonen, Engel, Ängste, Sehnsüchte, Verzweiflungen und vieles mehr darf sich zeigen. Das spielerische Gewand der Theatertherapie ermöglicht leichte Zugänge zu schweren Dingen.

Wir lachen und weinen viel.

Und – es gibt fast immer eine Wahrheit des Momentes auf der Bühne. Ähnlich wie bei einer Theaterprobe suchen wir nach dem „Stimmigen“ des Augenblicks, von dem wir zuvor meist nichts wissen, höchstens eine Ahnung oder Hoffnung haben. Wenn wir zum Beispiel an den Punkt gekommen sind, dass ein vernachlässigtes inneres Kind auf der Bühne sitzt, versuchen wir herauszufinden, was es braucht. In diesem Augenblick. Ist es Schutz? Möchte es gesehen werden? Möchte es gehört werden? Braucht es Raum für seine Tränen? Oder für den Hass? Oder vielleicht alles? Oft probieren wir aus und nähern uns dem, was sich für diesen Moment richtig anfühlt. Daraus können liebevolle und geborgene Augenblicke entstehen. Und vieles andere mehr.

Dafür braucht es vom Therapeuten Absichtslosigkeit – und Mut, den offenen Raum zu betreten und mithineinzugehen in eine Szenerie, die oft ausschließlich düster erscheint. Der/die Therapeut*in ist in der Versuchung, die (für den Notfall) mitgebrachten Scheinwerfer einzuschalten. Hält sie/er sich zurück und ist mehr fragend als ratend, gelingt es oft, das Gespür für die verschüttete Intuition wieder freizulegen. So kann der Mensch in Not meistens selber wieder das eigene Licht in der dunklen Höhle entdecken.